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Die Alanen

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Vgl. Ammianus Marcellinus, Buch 31, 2. Kapitel

 

»Dieses kampfkräftige und ungezähmte Menschengeschlecht, das von einer schrecklichen Begierde erfüllt ist, fremdes Gut zu rauben, durchquerte raubend und mordend die Nachbarländer und gelangte bis zu den Alanen, den alten Massageten. Woher diese stammen und welche Gebiete sie bewohnen, ist es jetzt an der Zeit darzulegen, da meine Erzählung bis zu diesem Punkt gelangt ist. Die vielfältigen Meinungen der Geographen, die lange viele verschiedene Standpunkte einnahmen, führten schließlich zu einer zuverlässigen Erkenntnis der Verhältnisse in diesen Ländern. Die Donau, die ihren Wasserreichtum den zahlreichen Nebenflüssen verdankt, fließt am Gebiet der Sauromaten vorüber, das sich bis zum Don erstreckt, dem Grenzfluß zwischen Asien und Europa. Ihn überquerten die Alanen und bewohnen seitdem die sich unermeßlich weit hinziehenden Steppen Skythiens. Ihren Namen erhielten sie nach einem Gebirge. Die Nachbarvölker rieben sie durch häufige siegreiche Kämpfe auf und verschmolzen mit ihnen zu einem Volk mit ihrem Namen wie die Perser. Unter ihnen bewohnen die Nerver das Binnenland in der Nachbarschaft hoher Gebirgszüge, die, schroff abfallend und von Kälte starrend, den Nordwinden ausgesetzt sind. Dahinter leben die Vidinen und Gelonen, äußerst wilde Menschen, die getöteten Feinden die Haut abziehen und sich daraus Kleidung und für ihre Streitrosse Decken herstellen. An die Gelonen grenzen die Agathyrsen. Sie tätowieren ihren Körper und färben sich die Haare mit dunkelblauer Farbe die Niedriggestellten nur an kleinen und wenigen Stellen, die Adligen hingegen mit breiter gefärbten und dichter nebeneinanderliegenden Zeichnungen. Noch weiter hin ziehen, wie ich erfahren habe, die Melanchlänen und die Anthropophagen umher. Sie leben von Menschenfleisch, darum haben sich alle Nachbarn wegen dieser entsetzlichen Nahrung aus ihrer Umgebung entfernt und weitab liegende Gebiete aufgesucht. Aus diesem Grund ist die gesamte nach Nordosten hin gelegene Zone unbewohnt geblieben, bis man zu den Chinesen kommt. In einem anderen Gebiet, nahe bei den Wohnsitzen der Amazonen, grenzen die Alanen an den Orient, verstreut über volkreiche und weiträumige Gaue; sie reichen bis nach Asien und breiten sich, wie ich gehört habe, bis zum Ganges aus, der das Land der Inder in zwei Teile teilt und sich ins Südmeer ergießt.

So verteilen sich die Alanen, deren verschiedene Stämme aufzuzählen jetzt nicht lohnt, über beide Erdteile. Wenn sie auch durch weite Räume getrennt sind und als Nomaden durch unermeßliche Gebiete ziehen, so haben sie sich doch im Laufe der Zeit unter einem Namen vereinigt und heißen alle zusammen Alanen wegen ihrer Sitten, ihrer wilden Lebensart und der gleichen Bewaffnung. Sie kennen nämlich keine Hütte oder den Gebrauch des Pflugschars, sondern leben von Fleisch und der reichlich vorhandenen Milch. Sie setzen sich auf ihre Wagen, die sie mit gewölbter Baumrinde bedecken, und fahren mit ihnen über die grenzenlosen Weiten hin. Sooft sie zu einem Weideplatz klommen, stellen sie ihre Karren kreisförmig auf und ernähren sich wie wilde Tiere. Sobald das Futter verzehrt ist, setzen sie gleichsam ihre Städte auf die Wagen und ziehen weiter. Auf ihnen paaren sich die Männer mit den Weibern, und auf ihnen erblicken die Kinder das Licht der Welt und werden erzogen. Die Wagen sind ihr ständiger Aufenthaltsort, und überall, wohin sie kommen, fühlen sie sich wie in ihrem angestammten Zuhause. Ihr Großvieh treiben sie vor sich her und weiden es zusammen mit ihren Kleinviehherden. Ihre besondere Vorliebe gilt der Pferdezucht. Dort sind die Ebenen immer grün, und dazwischen eingesprengt sind Plätze mit Fruchtgehölzen. Und aus dem Grunde leiden sie überall, wohin sie ziehen, keinen Mangel an Nahrung oder Futter, weil es der feuchte Boden und die zahlreichen vorüberfließenden Ströme wachsen lassen. Alle, die infolge ihres Alters oder Geschlechts nicht waffenfähig sind, halten sich in unmittelbarer Nähe der Wagen auf und verrichten leichte Arbeiten. Die Jugend aber wächst von klein auf in ständiger Übung zu Pferde heran und hält es für verächtlich, zu Fuß zu gehen, und alle sind infolge vielfacher Übung geschulte Krieger. Aus demselben Grunde sind ja auch die Perser, die ihrer Herkunft nach Skythen sind, sehr erfahrene Krieger.

Die Alanen sind fast alle schlanke und schöne Menschen mit ihrem mittelblonden Haar, furchterregend mit der gemäßigten Wildheit ihrer Augen und schnell infolge der Leichtigkeit ihrer Waffen. Sie sind in allem den Hunnen recht ähnlich, aber gemäßigter in ihrer Lebensart und Tracht. Raubend und jagend ziehen sie bis an den Mäotischen See, den Kimmerischen Bosporus und ebenso nach Armenien und Medien. Wie ruhige und friedfertige Menschen sich Muße wünschen, so haben sie ihre Freude an Gefahr und Krieg. Den hält man für glücklich, der sein Leben in der Schlacht aushaucht; wer alt wird oder durch einen natürlichen Tod aus der Welt scheidet, den bedrängen sie mit heftigen Schmähungen als entartet und feige. Als höchsten Ruhm preisen sie es, einen Menschen zu töten, als rühmliche Beute, ihm den Kopf abzuschlagen und die Haut abzuziehen, die sie ihrem Pferd als Brustschmuck umhängen. Bei ihnen sieht man keinen Tempel und kein Heiligtum; nicht einmal eine mit Schilf gedeckte Hütte kann man bei ihnen irgendwo erblicken, vielmehr wird ein entblößtes Schwert nach barbarischer Sitte in den Boden gestoßen, und dies verehren sie gläubig als Kriegsgott und Beschützer der Gebiete, die sie bewohnen. Die Zukunft suchen sie auf merkwürdige Art zu erforschen. Sie sammeln gerade Weidenzweige und sortieren sie unter bestimmten geheimen Beschwörungsformeln zu einer festgesetzten Zeit, um auf diese Weise die Zukunft zu erkennen. Sklaverei ist bei ihnen unbekannt. Alle stammen aus edlem Geschlecht. Zu Häuptlingen wählen sie noch heute Männer, die durch langjährige Kriegserfahrung Ansehen erworben haben.

Die Hunnen überrannten also das Gebiet der Alanen, die man gewöhnlich, soweit sie Nachbarn der Greuthungen sind, mit dem Beinamen Tanaïten bezeichnet. Sie erschlugen und beraubten viele und vereinigten sich mit den übrigen durch ein Beistandsbündnis.«

 

Vgl. Bericht des Frater Riccardus: Über die Entdeckung Groß-Ungarns zur Zeit Papst Gregors IX.

 

»Dann kamen sie in ein Land, das man Alanien nennt und in dem Christen und Heiden gemischt leben. Es gibt dort so viele Fürsten wie Dörfer, und kein Fürst anerkennt die Oberhoheit eines anderen. Es herrscht dort ständiger Krieg der Fürsten und Dörfer untereinander. Zur Zeit des Anbaus und der Ernte kommen alle Männer eines Dorfes bewaffnet auf dem Felde zusammen. Auch auf dem angrenzenden Grundbesitz üben sie diesen Brauch und versammeln sich außerhalb der Dörfer in gleicher Weise bewaffnet, sei es, um Holz zu schlagen oder andere Arbeiten zu verrichten. Einzeln können sie, aus welchen Gründen auch immer, ihre Dörfer die ganze Woche über nicht verlassen, ohne sich persönlicher Gefahr auszusetzen, mit Ausnahme des Sonntags vom Morgen bis zum Abend. Der Sonntag wird bei ihnen so sehr geachtet, daß dann jeder, was auch immer er Böses getan oder wieviel Gegner er hat, sicher sein kann, ob er nun ungeschützt oder bewaffnet ist, und unbehelligt auch unter denen umhergehen kann, deren Blutsverwandte er getötet oder denen er anderes Unheil zugefügt hat.

Jene, die als Christen bezeichnet werden, essen oder trinken aus einem Gefäß, in dem eine Maus starb oder aus dem ein Hund fraß, nicht eher, als es von einem Priester geweiht wurde. Wer sich anders verhält, wird aus der Gemeinschaft der Christen ausgeschlossen.

Wenn jemand von ihnen einen Menschen tötet, so wird er dafür weder gestraft noch gelobt; gilt doch bei ihnen ein Totschlag nichts. Das Kreuz verehren sie so sehr, daß arme Leute Einheimische wie Fremde –, die nicht mit großem Geleit reisen können, jederzeit unter Christen wie Heiden sicher einhergehen können, wenn sie nur irgendein Kreuz hoch erhoben an einer Fahnenstange tragen.«

 

Vgl. Herodot, Historien, Erstes Buch, 215-216

 

»Die Massageten tragen ähnliche Kleidung wie die Skythen und haben eine ähnliche Lebensweise. Sie kämpfen sowohl zu Roß wie zu Fuß, tragen sowohl Pfeile und Bogen wie Lanzen und auch Streitäxte. Sie verwenden durchgängig Gold und Erz. An den Lanzen, Pfeilen und Streitäxten sind alle Metallteile aus Erz, am Kopfschmuck, Gürtel und Schulterriemen alles aus Gold. Ebenso erhalten die Pferde eherne Brustpanzer, während Zügel, Gebiß und Kopfputz von Gold sind. Eisen und Silber haben sie gar nicht. In ihrem Lande finden sich überhaupt kein Eisen und Silber, während Gold und Erz in Menge vorhanden sind.

Über ihre Sitten ist folgendes zu sagen. Zwar führt jeder ein Weib heim, doch herrscht trotzdem Weibergemeinschaft. Was die Hellenen von den Skythen erzählen, das ist nicht Sitte der Skythen, sondern vielmehr der Massageten. Wenn es einen Massageten nach einem Weibe gelüstet, hängt er seinen Bogen an ihren Wagen und schläft ohne weiteres mit ihr. Obwohl den Greisen kein bestimmtes Lebensalter gesetzt ist, wird doch der Hochbejahrte von seiner Verwandtschaft, die sich vollzählig versammelt, mit anderen Opfertieren zugleich geschlachtet, das Fleisch gekocht und gegessen. Darin sehen sie ein hohes Glück; denn wer an einer Krankheit stirbt, wird nicht verzehrt, sondern begraben, und man hält es für ein Unglück, daß er nicht dazu gelangt ist, geschlachtet zu werden. Das Land wird nicht bebaut, sondern man lebt vom Herdenvieh und von Fischen – der Araxes ist äußerst fischreich –, und man trinkt Milch. Der einzige Gott, den sie anbeten, ist die Sonne. Ihr opfern sie Rosse, in der Meinung, daß man dem schnellsten Gotte das schnellste Wesen auf Erden darbringen muß.«

Quellen:

[1] Ammianus Marcellinus, Römische Geschichte, Akademie-Verlag Berlin

[2] Der Mongolensturm. Berichte von Augenzeugen und Zeitgenossen 1235-1250. Verlag Styria Graz

[3] Herodot, Historien. Alfred Kröner Verlag Stuttgart